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Poesiealbum 242

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Cidre Lied

Lass uns einmal noch ganz unten auf den Stufen sitzen,
wo die Tauben uns den letzten Krümelkeks stibitzen.
Quasimodo lässt sich von Touristenhorden knipsen
und wir trinken Cidre, um uns langsam zu beschwipsen.

Deine Küsse schmecken so wie Mecklenburger Pflaumen.
Wie Rhabarber aus dem Marschland schmeckt dein linker Daumen.
Rechts dein großer Zeh wie Spargel vom Lebuser Lande.
Dich zu fressen wäre ein Gourmet allein imstande.

Ich hingegen fühle mich als echter Bohemien,
lausch verzückt und hingerissen auf den zarten Klang
eines Ghettoblasters, der mit allen Spatzen streitet,
während sein Besitzer einen Sandsteinlöwen reitet.

Heimweh ist ein edles patriotisches Empfinden,
und dein Nabel duftet wie im Oderland die Linden.
Hinter deinen Ohren geht es tief in den Orient,
wo der Staub von Kreuzberg sich in meine Nüstern brennt.

Möchtest du vielleicht zu mir jetzt in den Sattel steigen?
Hoch zu Ross lässt sich Paris bei Nacht viel besser zeigen.
Polizisten weisen uns den Weg mit ihren Pfeifen.
Aber du allein darfst mir in meine Mähne greifen.

Deine Nackenhaare sind ein kleines Nordseewunder.
Gleich dahinter riecht´s nach wilden Schlehen und Holunder.
Wenn sich dessen Blüten in den Eierkuchen schmiegen,
könnte ich glatt Fahrrad fahrn, zumindest aber fliegen.

Doch viel lieber bleibe ich hier auf den Stufen sitzen,
wo die Tauben uns den letzten Krümelkeks stibitzen,
und wir trinken Cidre, um uns langsam zu beschwipsen,
bis das Paradies sich öffnet auf ein Fingerschnipsen.

(c) Henry-Martin Klemt