Sie sind hier:

Poesiealbum 242

Wegzeichen

Freiheit riecht nach Verbranntem

Menschenherz

Hautkontakte

Was ich will

Als wär ich schön

wurzelland.wo

Flatterherz

Äthiopisches Tagebuch

Ungeduldig ist das Leben...

Suchen nach:

Allgemein:

Startseite

Abendlied

Für Rita

Sagen wir noch, zwischen den versoffenen Parolen,
dass wir lieben unser Land und von der Küste her
Ausschau halten nach den hohen Bergen ganz verstohlen
und uns auf den Gipfeln sehnen nach dem weiten Meer?

Eine Zwischenwelt ist dieses Land mit seinen Flüssen,
mit den wilden Stränden und der Vorstadtstraßenbahn,
mit dem Friedhofslärm der Vögel und den Regengüssen,
mit dem Glotzentod, der lauert, und dem Größenwahn.

Tief verschneite Städte und im Schnaps erfrorne Lieder
tauen wie die Weihnachtssterne auf von deinem Kuss.
Die geschwollnen Knöchel schmerzen, doch mich ruft der Flieder
und ein Koppelzaun, den ich noch überspringen muss.

Sind wir beide nicht schon durch die ganze Welt gegangen.
Immer hörte ich der andren Schritte hinter mir.
Wenn die langen Schatten unsrer Toten uns umfangen
Sagte immer einer von uns beiden: Ich bin hier!

War das Zimmer uns im milden Licht die Kathedrale,
warn die Bücherwände uns ein schimmernder Altar,
und wir wussten: Dieses Mal und viele, viele Male
brennt die Kerze nieder. Aus: Es wird schon! wird: Es war!

Wer will sagen, dass wir beide uns umsonst geschunden.
Du hast mich empfangen heut und ich hab dich geliebt.
Ich leck dir das Fell warm und du leckst mir meine Wunden.
Morgen ist das Zauberwort, das uns der Abend gibt.

Besser ist das Land und ist die Welt heut nicht geworden.
Nicht durch die , die gingen, und auch nicht durch die, die kamen.
Nicht durch die, die heilen, und auch nicht durch die, die morden.
Nur die Orte wechseln und es ändern sich die Namen.

Tausend aufgerichtet, tausend andere zerbrochen.
Sturm kämmt unsre Eitelkeit wie Kletten aus dem Haar.
Und kein Paradies, nicht einmal Zukunft ist versprochen.
Alles ist wie immer und wir sind noch immer da.

Wächst das Gras nicht weiter, weil die Steine noch nicht singen?
Oder werden die erst singen, wenn kein Gras mehr wächst?
Viel zu wenig wissen wir von unsren eignen Dingen,
doch dich kenn ich besser, als die Haut, in der du steckst.

Manchmal will ich nur an deiner nackten Schulter lehnen.
Müde sein zu dürfen, träum ich immer nur bei dir.
Wenn du einschläfst, schwimm ich mit den rabenschwarzen Schwänen,
höre Franks Gitarre und von Ludwig das Klavier.

Wir, so gut wir es verstanden… Ach, es ist das alte
Lied, das aus dem Turm am Neckar in die Wiesen sinkt.
Und das Land ist unter deiner Decke nicht das kalte,
sondern eins, das unter unsren Rippen weiter schwingt.

Wer will sagen, dass wir beide uns umsonst geschunden?
Du hast mich empfangen heut und ich hab dich geliebt.
Ich leck dir das Fell warm und du leckst mir meine Wunden.
Morgen ist das Zauberwort, das uns der Abend gibt.

(c) Henry-Martin Klemt